Entfernung. by Streeruwitz Marlene

Entfernung. by Streeruwitz Marlene

Autor:Streeruwitz, Marlene [Marlene, Streeruwitz]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: S. Fischer
veröffentlicht: 2006-10-15T04:00:00+00:00


17

»But you are early.« sagte der Mann. Selma starrte ihn an. Sie wandte sich in Richtung der Aktzeichnungen. Hielt sofort wieder inne. Der Mann nickte. Ja. Das sei er. Und deshalb freue er sich, dass sie gekommen wäre. Er habe es nämlich satt, immer einzuspringen. »I am perfectly fed up with filling in.« sagte er und grinste. Und natürlich könnte er mit seiner Fülle besser ausfüllen, aber er sei sehr froh, dass sie wieder ein schlankes Modell hätten. Das täte allen gut. Füllige Menschen. »Persons of substance«, sagte er. Die wären ja einfach zu zeichnen. Die Schlanken. An denen müsste man sein Können nachweisen. Selma hörte ihm zu. Sie wollte ihn unterbrechen. Aber ihr Englisch war verschwunden. Sie verstand ihn als spräche er deutsch, aber sie konnte ihm nicht antworten. Sie sah ihn an. Was sie trinken wolle. »Wasser.« sagte sie. Er schraubte eine Flasche Sodawasser auf. Schenkte ein. Sie wäre nur wirklich zu früh. Aber der Film habe gerade begonnen. Oder der beginne gerade eben. Sie sollte sich den anschauen. Dafür wäre gerade Zeit. Das Modellstehen. Da würde nicht vor Mitternacht begonnen. So um Mitternacht. Da wären dann alle da. Ob man ihr das nicht gesagt habe. Er reichte ihr einen Plastikbecher mit Wasser. Der Film. The movie. Das wäre da. Er wies nach hinten. Nach unten. Da wo er hergekommen war. Und dass sie 10 Pfund bekäme. Wäre das o.k. Sie nahm das Wasser. Sie ging um die Theke. Stieg hinter dem Mann die Stufen hinunter. Er hielt ihr die dicke Studiotür auf. Sie schlüpfte in den Raum. Er blieb draußen. Die Tür schloss sich. Bevor sie ganz zufiel, hielt der Mann die Tür fest. Er steckte den Kopf in den Raum. Wie ihr Name sei. Er habe sie nicht gefragt. »Sorry.« »My name is Thelma.« sagte sie. Die Tür schloss sich wieder. Die Türklinke wurde von außen niedergedrückt. Die Tür schalldicht abgeschlossen. Die Leinwand rechts. Sessel. Ungeordnet. In der Ecke saß ein Paar. Vorne eine Gruppe. 5 oder 6 Personen. Alle sahen nach vorne. Selma ging nach hinten. Auf Zehenspitzen. Sie setzte sich an die Wand. Sie zog einen Sessel noch weiter nach hinten. Sie setzte sich. Lehnte sich gegen die Wand. Dann stand sie noch einmal auf und holte einen zweiten Sessel. Sie stellte ihn quer. Für ihre Beine. Sie legte die Beine auf die Sitzfläche. Dann stützte sie die Füße auf den Querstreben auf. Die anderen Personen sprachen leise. Es lief ein Vorspann. Namen und Daten. Das Knistern einer uralten Filmvorführung. Ein Stummfilm. Selma lehnte sich zurück. Sollte sie sich das antun. Stummfilm. Das war ihr langweilig. Sie hatte sich immer gelangweilt in Stummfilmen. Und in den »Dr. Caligari«. In den war sie in Zagreb nur gegangen, um sich zu trösten. Weil das da gerade passte. Für diese gelähmte lähmende Nachkriegssituation. Da. Aus der die Kroaten mit dem Nachahmen der großen Welt herauskommen wollten. Wie in der Operette. »Wiener Blut«. »Der Zigeunerbaron«. Da mussten ja die Männer vom Balkan auch erst lernen, wie man sich in Wien verhalten musste.



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